Lichtwolf Nr. 60 („Ins Gesicht“) (E-Book)

Fressen, Identitäten und Ansehen in Philosophie, Kunstgeschichte, Theologie, Politik, Sprache und Pornographie, dazu Schnecken, Binding, rechte Eliten und unnütze Objekte.

3,99 

Beschreibung

Schaut man wem ins Gesicht, erblickt man eine, wenn nicht gar seine Persönlichkeit, weshalb die Körperregion zu den empfindlichsten zählt, wie Michael Helming in seiner Meditation über verbogene Visagen in der Kunstgeschichte feststellt. An- und Aussehen einer Person lässt sich vermittels einer Torte ins Gesicht aufheben, wie es der Belgier Noël Godin tut, dessen Schabernack Marc Hieronimus auf vorstellt. Unantast- und unfassbar dürfte das Antlitz Gottes sein; mit den Bedingungen und Möglichkeiten, seiner ansichtig zu werden, befasst sich Osman Hajjar. Über die Mitgeschöpfe kann man einiges erfahren, versteht man ihr Gesicht zu lesen oder schaut überhaupt hin – eine Mühe der Zwischenmenschlichkeit, die uns die Technik auch bald abnimmt, wie Marc Hieronimus voraussagt. Ob und was man als Publikum sieht, wenn man großen Spektakeln beiwohnt, ist eines der Themen in Wolfgang Schröders „Kritik der rezeptiven Vernunft“ und neben dem Sehen ist auch das Sagen eine Tätigkeit, die ins Gesicht gerichtet ist. Die Höflichkeit des Dialekts wird von Martin Köhler gelobt, es folgen zwei weitere Betrachtungen über das, was aus den Allerweltsfressen unserer Tage herauskommt: Auf der Kinderseite „Lichtwelpe“ erklärt Timotheus Schneidegger einem Jungleser, was es mit der Phrase vom „Schlag ins Gesicht“ auf sich hat, und Georg Frost beschäftigt sich mit der von Facismus kündenden Überzahl an englischen Redewendungen rund ums Gesicht. Ein solches brauchen auch Staaten und Unternehmen, wichtiger aber noch ist der Kopf bzw. das Oberhaupt, das anzugreifen eine alte Militärstrategie und das Thema von Schneideggers Essay ist. Wenn Sie altes Ferkelchen dachten, der Lichtwolf stürzt sich bei einem solchen Titelthema auf den Pornostunt des Cumshots, dann liegen Sie ganz richtig: Schorsch Hambargen liefert einige Notizen zu dessen ethischer, ästhetischer und repräsentativer Dimension und Bdolf unterhält sich mit einem Sternchen der südwestdeutschen Pornobranche über die Gesichtsbesamung in Beruf und Freizeit. Derselbe Bdolf hat zur Linken wieder ein Propädeutikum zum Titelthema vorgelegt, das zur Rechten auch von Köhlers Kolumne eröffnet wird, in der Schiller einem Uhu ins Gesicht zu leuchten versucht. In your Face, Philosophie-Magazin!

Der Start in den Kofferraum dieses Winterhefts erfolgt wie üblich mit dem tragbaren Gedanken, also acht hirnakrobatischen Miniaturen diverser Autoren, gefolgt vom abschließenden Teil des Jahreszeiten-Zyklus von Renate von Charlottenburg, dem Winter. Marc Hieronimus portraitiert die Schnecke als Viehlosovieh jenseits von Fisch und Fleisch und Filbinger stellt in der Reihe „Die unbedeutendsten Denker der Geschichte“ Ottokar Selznik (1816–1869) als Urvater der Traumwissenschaften vor. Eine hefteübergreifende Debatte macht Stefan Rode auf, der darstellt, warum der schwiemelig-verkitschte Nazi-Schriftsteller Rudolf G. Binding völlig zu Recht vergessen ist. Es folgen jede Menge Rezensionen in unter 800 Zeichen sowie ein Addendum seitens Schorsch Hambargens, der dem Begriff „Gewalttäter“ einen zweiten nationalen Frühling bescheinigt. Ebenfalls nach rechts blickt Bernhard Horwatitsch mit seinen Überlegungen zum Verhältnis der Eliten zum scheinbar eher plebejischen Rechtspopulismus. Abgerundet wird das Heftchen mit Aphorismen pro domo et mundo, dem Beiträgerverzeichnis und einer Kollektion völlig unnützer Objekte von Katerina Kamprani.

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